Das neue Werftdreieck

Ein innerstädtisches Wohnviertel wird geplant

Aktuell im Logbuch

Vergabeverfahren für Hochbauleistungen gestartet

Visualisierung des Funktionsplanes: So könnte das neue Werftdreieck aussehen! Das Video zeigt die ersten visuellen Ideen für die Wohnbebauung durch das Architekturbüro Albert Wimmer.

 

Das „Werftdreieck“ bezeichnet das Areal der ehemaligen Neptun-Werft zwischen Lübecker Straße, Werftstraße und der Bahntrasse Rostock – Warnemünde. Auf der Industriebrache standen zuletzt Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude, die zum großen Teil bereits vor 20 Jahren abgerissen wurden. Seitdem wartet das Gelände in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt auf eine Nachnutzung. Der lange Zeit avisierte „Technologie-Park für denkende Industrie" blieb eine Vision.

Im Jahr 2011 ging ein Großteil der Flächen an einen neuen Eigentümer über und wurde später erneut verkauft. Die Versuche der Investoren, hier großflächigen Einzelhandel zu entwickeln, scheiterten am Widerstand vieler Rostockerinnen und Rostocker. Im Herbst 2014 hat die städtische Wohnungsgesellschaft WIRO das Gelände erworben. Noch ist dem Areal im Flächennutzungsplan der Hansestadt Rostock und im rechtskräftigen B-Plan Nr. 10.MK.63 eine sogenannte Kerngebietsfunktion zugewiesen. Das Ziel der WIRO ist, hier in enger Abstimmung mit der Stadt ein durchmischtes, bezahlbares, lebendiges und urbanes Wohnquartier entstehen zu lassen, das sich nicht nur in städtebaulicher Hinsicht in die Kröpeliner-Tor-Vorstadt integriert. Damit möchte die WIRO dem generellen Wohnraummangel in der Rostocker Innenstadt begegnen. Bürgerschaft und Ortsbeirat unterstützen dies grundsätzlich.

In das Vorhaben sollen die Rostockerinnen und Rostocker weit über das vorgeschriebene Maß hinaus einbezogen werden. Noch bevor in einem ersten Schritt ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt wurde, sammelte die WIRO mit Diskussionsveranstaltungen und Quartiers-Spaziergängen die Wünsche und Bedürfnisse der Anrainer, um diese in der Ausschreibung zu berücksichtigen. An verschiedenen Punkten des weiteren Entwicklungsprozesses soll immer wieder das Gespräch gesucht werden, um im bestmöglichen Einvernehmen zu einem guten Ergebnis für das Werftdreieck zu kommen.

Diese Website begleitet den Dialog-Prozess mit gebündelter Information, einem laufend aktualisierten Logbuch für Ankündigungen und Reflexionen zu den Veranstaltungen, einem betreuten E-Mail-Account, unter dem ihre Fragen entgegengenommen werden sowie einer Download-Datenbank für relevante Dokumente.

Fakten zum Werftdreieck

Geschichte aufgegebener Standort der Neptun-Werft und weiterer Firmen
Entwicklungsziel Wohngebiet mit großem und vielfältigem Wohnungsangebot
Begrenzung O/S/W: Werftstraße / Lübecker Straße / S-Bahnlinie
Entfernungen zur Warnow ca. 200 m, zum Kröpeliner Tor ca. 1.300 m
Straßenanbindung über L 22 (Lübecker Straße) westlich 1,5 km zur B 103, östlich 6 km zur A 19
ÖPNV direkt S-Bahnstation Holbeinplatz
Im 2 km-Radius Volkstheater, Uni-Campus Ulmenstraße, Uni-Kliniken, Ostseestadion, Neptun Einkauf Center
Kartenansicht http://www.openstreetmap.org/#map=17/54.09402/12.10319

Von der Geschichte geprägt

Kennen Sie den Kayenmühlengraben in der Hansestadt Rostock? Der kleine Bach durchfließt das Freigelände des Botanischen Gartens der Universität Rostock und weiter in Richtung Max-Eyth-Straße. Dort trieb das Wasser über Jahrhunderte die Kayenmühle an. Gärten und Felder bestimmten bis zur Gründung der „Schiffswerft und Maschinenfabrik von Wilhelm Zeltz und Albrecht Tischbein“ das Bild in dem Gebiet. 1850 war die Geburtsstunde der späteren Neptun-Werft. Im Jahr darauf lief der erste in Deutschland gebaute eiserne Schraubendampfer zur Probefahrt aus. Seitdem wurden mehr als 1.500 Schiffsneubauten und tausende Schiffsreparaturen ausgeführt. Heute gehört die 1991 nach Warnemünde verlagerte Werft zur Meyer-Neptun-Gruppe.

Vor 100 Jahren veränderte das Gebiet des Werftdreiecks immer stärker sein Gesicht. Denn nach und nach siedelten sich weitere Unternehmen an: 1914 entstand gegenüber der heutigen Tankstelle die Nordische Eisen- und Draht-Industrie Rostock, kurz Nord-Draht. Es folgten unter anderem Baustofflager, die Granitwerke Ritzmann, Tankstelle und Autohändler sowie ein Betrieb zur Herstellung von Schweißgasen. Zunächst endete die Straßenbahnlinie noch am heutigen Werftdreieck; seit 1936 fährt sie durch die Lübecker Straße bis nach Marienehe.

Die beiden Fabrikhallen und das Kontorgebäude von Nord-Draht wurde 1934 von Ernst Heinkel übernommen. Mit dem Namen des Konstrukteurs verbinden sich für Rostock ein Industrialisierungs-Schub und ein starker Impuls für die Stadtentwicklung – beides unter dem Signum von nationalsozialistischer Rüstung, des Zweiten Weltkrieges und von Zwangsarbeit in den Rüstungsbetrieben. Von den zunächst in Warnemünde ansässigen Heinkel-Flugzeugwerken fanden unter anderem Erfindungen wie der Schleudersitz, Bordkatapulte und der erste Düsenflieger ihren Weg in die Welt. Später ließ der in die Verbrechen der Nazis verstrickte, schwäbische Flugpionier und Industrielle sein neues Stammwerk in Rostock-Marienehe errichten. Auch auf einem Teilstück des heutigen Werftdreiecks wurden Flugzeugteile gebaut und zur Endmontage ins Stammwerk geliefert.

Rostock entwickelte sich zur Großstadt und überschritt 1935 erstmals die 100.000-Einwohner-Marke; neue Stadtteile wie Alt-Reutershagen und das Komponistenviertel entstanden; damalige Hochtechnologie lenkte überregionale Aufmerksamkeit auf den Standort. Mitte 1944 beschäftigte der mittlerweile zur Ernst-Heinkel AG fusionierte Rüstungskonzern mehr als 50.000 Personen, darunter zahlreiche Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. In Rostock allein zählte die Belegschaft bis zu 15.000 Frauen und Männer.

Das Werftdreieck war mehrfach das Ziel alliierter Bomber; viele Gebäude waren aber noch nutzbar. Nach Kriegsende startete auf der Fläche östlich der Max Eyth-Straße zunächst die Produktion von Schiffsdieselmotoren. Vom Herbst 1951 an wurde das Areal von der Neptunwerft genutzt. Zahlreiche Hallen, Baracken und Schuppen entstanden, unter anderem für die Werft-Tischlerei; Anfang der 1970er Jahre zog die Verwaltung in einen Plattenbau an der Werftstraße ein, der nach der Wende von der Stadtverwaltung genutzt wurde. Neu gebaut wurde nach der 1982 erfolgten Verlegung der Straßenbahntrasse auch der markante Personaleingang am heutigen Platz des 17. Juni.

Sicher erinnern sich nicht nur die damals bis zu 8.000 Neptun-Werker, sondern viele Rostockerinnen und Rostocker noch an die Neptun-Betriebspoliklinik vor dem Werktor in der Werftstraße, die 1954 eröffnete Kinderkrippe in der Max-Eyth-Straße sowie an die IKN-Autowerkstatt und -Waschanlage gegenüber der Maßmannstraße – die zum Teil bis heute so genutzt wird. Und es gab dort zwei beliebte Treffpunkte für die Rostocker: das 1951 eröffnete Klubhaus der Neptunwerft sowie der Jugendclub in der Kantine von Schiffselektronik.

Fast alle Gebäude auf dem Gelände wurden 1994/95 abgebrochen; das Bürohaus verschwand 2009, die verbliebenen Teile des Werft-Personaleingangs 2014. Erhalten ist das unter Denkmalschutz stehende, prachtvolle Verwaltungsgebäude, dass die Neptunwerft 1924 vom renommierten Architekten Paul Korff errichten ließ – heute Ausbildungsstätte der Europäischen Fachhochschule EUFH med. Unter Denkmalschutz steht ebenso die 1936 errichtete, sogenannte Heinkel-Wand entlang der Lübecker Straße. Die geschwungene, frei stehende Schauwand wurde errichtet, um mehrere Produktionshallen zur Lübecker Straße hin zu verdecken. Zwischen der Max-Eyth-Straße und den Bahn-Gleisen bestimmten das Bild lange Zeit die Werkstätten und die Betriebsberufsschule der 1969 zum VEB Schiffselektronik Rostock zusammengeschlossen Unternehmen. Auch diese Gebäude wurden abgerissen.